Gasthof "Goldener Löwe"

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    Es gibt 46 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Khotan.

    • Gasthof "Goldener Löwe"

      Irgendwo in Franken steht der alte Gasthof, erbaut Anfang 1800. Seit 1870 befindet er sich in Familienbesitz.

      In den 20er / 30er Jahren als Gasthof und Pension geführt, auf der Höhe der Zeit die Zimmer mit Heizung und fliesend Wasser, Garagen und wöchentlicher Hausschlachtung (laut großem, schön gestaltetem Wirtshausschild). Der Gasthof besteht aus einem großen Saal mit Galerie im Obergeschoss, daran anschließend die Pensionszimmer bis ins Dachgeschoss im Nachbargebäude. Im Erdgeschoss die klassische Gaststube mit Küchen und einem abgetrennten Raum, dem "Friedenszimmer". Im Kellergewölbe einen großen Weinkeller. Das Porzellangeschirr ist mit dem Logo des Gasthofes versehen, die Speisekarten hoher grafischer Qualität gedruckt, handwerklich aufwendige, aus Holz gearbeitete großflächige Motivereliefs aus den 30er Jahren zeugen vom Wohlstand der damaligen Wirtsfamilie.

      Nach Kriegsende übernimmt die nächste Generation, der Saal wird im Stil der 50er umgestaltet mit kleiner Bar - eine Postkarte gibt einen Eindruck vom damaligen Zustand.

      Ich denke, dass es nach und nach schwieriger für den Gasthof geworden ist. Großzügige Hotelneubauten in den 60er / 70er Jahren waren sicher eine schwierige Konkurrenz auch hinsichtlich der Saalnutzung mit Feiern und Festen, die Pensionszimmer mit Waschtisch im Zimmer und Bad / Toilette im Flur kamen aus der Zeit. Die alte Bausubstanz und eingeengte Lage ließen Umbauten und Erweiterungen auch nicht ohne weiteres zu.

      Ender der 80er Jahre wurden (nach dem Datum der zur Schonung der Tische untergelegten Zeitungen) im Saal die Stühle auf die Tische gestellt, die kleine Bar zum Schlafzimmer der Wirtsleute umgenutzt. Die Gaststube im Erdgeschoss wurde noch bis um die Jahrtausendwende genutzt, die Speisekarte wurde allerdings immer kleiner und dünner. Ende der 90er Jahre betrug der Jahresgewinn des Gasthofes keine 3000 DM mehr - und damit ließ sich weder eine anständige Küche betreiben, noch die Bausubstanz entsprechend erhalten.

      Als das letzte Mitglied der Wirtfamilie verstorben war, wurde der Gasthof verwaltete und stand über 10 Jahre leer, da es keine direkten Erben gab. Mittlerweile ist er verkauft, der Abriss des Gasthofes ist genehmigt und an seine Stelle soll ein gesichtsloser und fader Neubau kommen.

      Leider sind auch schon Vandalen durch den Gasthof gewütet, abstürzende Deckenteile haben einiges zerstört, dennoch gibt es ganz ungestörte Bereich - die Atmosphäre war einzigartig... Man saß in der abgedunkelten, stillen Gaststube vor der alten Weinkarte, hörte das Leben draussen vorbeiziehen und überlegte sich ganz in Ruhe, einen 1957er Thüngerheimer Scharlach Sylvaner für 1.30 DM zu bestellen oder doch lieber einen 1960er Escherndorfer Hengstberg für 1.40 DM - um sich dann den Kummer wegzuspülen, dass hier ein großartiges Beispiel der alten Gasthofkultur für immer verloren geht...

      Aber zumindest die Bilder bleiben!
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      ... fast soweit es geht ...
    • Hier kommen jetzt Bilder aus der Gaststube mit dem Charme vergangener Zeiten und dem Thekenbereich - zuvor waren Bilder aus dem Saal und dem Pensionsgebäude...
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      ... fast soweit es geht ...
    • Der alte Gasthof

      Obwohl vor mir schon gewütet wurde, konnte man die "Perlen" noch finden - die privaten Dinge der Wirtsfamilie, zum Teil ganz rührend...

      die gesamte Korrespondenz zur Hochzeit 1947, samt den selbstgeschriebenen Tischkarten und Glückwunschreiben - in einem Fall auf den Geschäftspapieren, die noch die "Adolf-Hitler-Straße" anführen, handschriftlich durchgestrichen und korrigiert ... das Papier war ja noch gut, kann man nicht einfach wegschmeißen :grins:

      Geschichtlich ungemein interessant - Das Eintopfkochbuch eine Propagandaschrift aus dem dritten Reich, das Unterrichtsheft der damals jungen Wirtin in spe zeigt noch eine Abhandlung zum "Erbgesundheitsgesetz" der Nazis, wie man sie den Mädchen eingetrichtert hat. Das kleine Photoalbum mit Fotos aus der Dienstzeit beim BDM

      Hier ist so der Punkt, an dem man sich fragt, ob man alles so liegenlassen soll, gerade so persönliche Sachen wie das kleine Photoalbum oder die handgemalten Tisch- und Glückwunschkarten, wohlwissend dass das dann alles verlorengeht, oder ob man das dann doch irgendwie retten müsste...

      sehr schwierig...
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    • zwei kleine, feine Bilderstrecken zur reichen, kunsthandwerklichen Innenausstattung der 30er Jahre sowie zum Weinkeller (beginnt ebenfalls in den 30er Jahren) kommen dann noch Ende der Woche - sind zwar schon fertig, aber jetzt ist es doch schon etwas zu spät...

      Hoffe, es hat euch bis hierher gefallen!

      Krischan
      ... fast soweit es geht ...
    • Sehr cooles Objekt, schade das sowas immer abgerissen wird :(
      Danke für die Bilder!
      Enthält Bilder toter Tiere.
      Der Beitrag ist mit Vorsicht zu genießen. In der Vergangenheit wurde mehrfach festgestellt, dass diesem User potentiell Lebenserfahrung zur Erlangen der nötigen Weisheit fehlt, sich hier im Forum einzubringen. Diese Lebenserfahrung wird aktuell aufgeholt, aber wie immer ist es ein Prozess. Derweil sind die Beiträge stets durch lebenserfahrenere Forenmitglieder einzuordnen.


      Flickr
    • Klasse Beitrag einer super interessanten Location, toll recherchiert und hier für uns aufbereitet.
      Deinen moralischen Zwiespalt zwischen unserem selbst auferlegten Kodex und den Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit kann ich voll und ganz nachvollziehen. Ich denke du hast deine Entscheidung getroffen. Wie auch immer - sie wird "richtig" sein.

      Toller Beitrag, vielen Dank! 8)
      Immer auf der Suche nach neuen Zielen 8)

      Meine Bilder bei flickr: DueSiGrafie - Urbex & Alltägliches
    • In der Gaststube (Bild20) siehts ja noch ganz gut aus. Das war sicher eine gemütliche Wirtschaft. Würd mich da richtig wohlfühlen.
      Toll find ich, dass da noch einige Bilder rumliegen. Das gibt so ner Location Charakter, wenn man die Gesichert dazu "kennt". Tolle Bilder! Danke
      Lasst uns einen schönen Platz finden, an dem wir in uns gehen und die Welt um uns vergessen können!
    • Oh war das schön. Aber auch traurig.
      Man sieht bei deinem Bericht die Geschichte dieser beeindruckenden Örtlichkeit regelrecht am inneren Auge vorüberziehen.
      Durch deine wunderbaren Bilder und die detaillierte Erzählung hast du mich ein bisschen an diesem schönen Ort teilhaben lassen.
      Gerne wäre ich bei dir am Tisch gesessen, um das Gasthaus bei einem fiktiven Gläschen Wein nochmals lebendig werden zu lassen. ;)

      Vielen Dank für deine Eindrücke und die kleine Reise.
      Es ist Liebe. Oder Sucht. Oder beides...
    • Khotan schrieb:

      ... geniales Objekt mit viel Geschichte und spannenden Details! Da darf man wohl noch auf einen Nachschlag gespannt sein. Aber: Mitnehmen geht gar nicht - auch wenn´s noch so weh tut. Interessant finde ich übrigens den Vergleich von Bild #go1-22 und #go1-16 ...
      Ich bin auch froh, die Karte mit dem Foto des damaligen Saals gefunden zu haben - in den ganzen privaten Fotos waren leider keine vom Ursprünglichen Gasthofbetrieb dabei, was mich doch sehr interessiert hätte.

      Und noch was zum moralischen Zwiespalt, wie es DueSi schön ausdrückt: ich habe auch die oberflächlich durchwühlten Privaträume nicht im ganzen fotografiert, sondern nur die Details, die doch wieder stimmig die Geschichte oder den Charakter wiedergeben und man auf das Ganze schließen kann.
      Alles war schön sauber sortiert und gesammelt - ein Bild des zerwühlten Raumes verfälscht all das und wäre für mich fast respektlos den ehemaligen Bewohnern gegenüber. Da ist für mich die Dokumentation des Ist-Standes bedeutungslos

      Ich habe auch kein Problem, normale Dinge oder Gebrauchsgegenstände dort liegen zusehen - aber so ganz persönliche Sachen, die jahrelang aufgehoben werden, gerade weil sie den Wirtsleuten was bedeutet haben - ist wirklich ein Zwiespalt, der sich mit einem starren Kodex nicht verträgt...

      Wie dem auch sei, ich habe für mich einfach abgewogen... :D

      Vanitas schrieb:

      Edit: Hoffentlich finden das die Flohmarkt und Sammmler Deppen nicht!
      Ich glaube, die haben das seit kurzem schon gefunden - war am Sonntag dort und habe gesehen, das die Wandvertäfelung mit geschnitzten Motivtafeln aus den 30er Jahren teilweise verschwunden waren - alles Unikate und sicherlich mit gewissem Sammlerwert... Sauerei

      Nephalem schrieb:


      Gerne wäre ich bei dir am Tisch gesessen, um das Gasthaus bei einem fiktiven Gläschen Wein nochmals lebendig werden zu lassen

      Ich hätte auch die Runde übernommen - mit Biermarken aus der Vorkriegszeit ! :D
      ... fast soweit es geht ...
    • Zwiespalt Mitnehmen und Schützen - Urbexer-Regeln

      Jammerschade um die ganzen ideellen Schätze- Vor allem, wenn ich mir vorstelle, dass irgendwelche Vandalen die Dinge einsammeln. Da wäre vielleicht eine Überlegung, die Sachen mitzunehmen, einzuscannen und wieder hinzubringen... Ich weiß nicht... Oder wie wäre es mit einem docuscan v2 als Ergänzung?
      Rechtschreibung und Grammatik sind Freeware, du kannst sie benutzen, ohne dafür zu bezahlen. Sie sind aber nicht Public Domain, also darfst du sie nicht verändern, wie es dir passt.
    • :S wow

      schöner Fund. beeindruckend was da noch so alles rum liegt, so viele Erinnerungen von Menschen die es nicht mehr gibt. Wahnsinn. So alte Briefe, Postkarten und Fotos erzählen schon immer von allein eine Geschichte.

      Glg Kati
      Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle.
      - Albert Einstein -

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      Flickr: Fotostream von Katrin photography